Association internationale des histoires de vie en formation et de recherche biographique en éducation (ASIHVIF)
Die internationale Vereinigung zur Förderung von Lebensgeschichten in der Bildung und von Biographieforschung in der Erziehung wurde 1991 gegründet; die Ursprünge gehen bereits auf die frühen 1980er Jahre zurück.
In der Vereinigung haben sich Forschende und Praktizierende zusammengeschlossen, die sich vor allem den Herausforderungen der Erwachsenenbildung widmen und sich auch damit beschäftigen, wie die Auseinandersetzung mit persönlichen Lebensgeschichten in die Ausbildungsgänge integriert werden kann. Die Aktivitäten und Forschungsbereiche sind im lebenslangen Lernen und in der Biographieforschung verankert.
♦ Ethik und Konzept einer umfassenden Bildung
Die im Rahmen der ASIHVIF entwickelten Arbeiten integrieren die Ansätze einer globalen Anthropologie im Sinne einer interdisziplinären ganzheitlichen Bildung.
Sie wollen die Auseinandersetzung mit individuellen Lebensgeschichten in die Erwachsenenbildung einbeziehen und fördern: dabei sollen auch die pluridimensionalen biografischen Zusammenhänge im Bereich der Erwachsenenbildung berücksichtigt werden. Die Aktivitäten der ASIHVIF basieren auf dem Erbe humanistischer Tradition und auf den Grundsätzen der Erwachsenenbildung und des lebenslangen Lernens.
Die ausdrückliche ethische Grundhaltung der ASIHVIF ist eine für alle Menschen geltende, emanzipatorische Perspektive.
Die Einbeziehung persönlicher Lebensläufe und Lebensgeschichten wird nicht ausschließlich als „Methode“ der Sozial- und Erziehungswissenschaften wahrgenommen, mit der die komplexe Dynamik in Erwachsenenbildungsprozessen besser verstanden werden kann. Vielmehr soll durch das Einbeziehen von Lebensläufen und Lebensgeschichten in die Ansätze einer integrierenden Aus- und Weiterbildung, das selbstbestimmte Handeln des Subjekts bezogen auf sich selbst und die eigene Lebenswelt gefördert werden: durch die reflexive Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte, die immer auch eine Geschichte des Lernens ist, wirkt das Subjekt also unmittelbar an der Gewinnung von Wissen mit.
Neben den Forschungsanliegen vor allem in den Erziehungswissenschaften, ist es der Vereinigung wichtig, Ausbildungs- und Begleitsettings so weiterzuentwickeln, dass damit jedes Individuum in der eigenen Selbstverwirklichung unterstützt wird bzw. diese aufrechterhalten kann.
Über diese Forschungs- und Ausbildungsziele für die Erwachsenenbildung hinaus, unterstützt die Vereinigung ASIHVIF alle Verfahren, mit denen diese Ziele ebenfalls umgesetzt werden sollen.
Wir vertreten somit eine globale und integrative Vision von Erwachsenenbildung und distanzieren uns von einer instrumentellen und funktionellen Logik, die Lernprozesse auf Lerntechnologien reduziert.
♦ Qualitative Verfahren und die Praxis von Aktionsforschung
Die im Rahmen der ASIHVIF entwickelten Verfahren betonen die enge Verbindung zwischen Ausbildung und Forschung und zeigen, wie die reflektierten individuellen Lebensgeschichten zum Ausgangspunkt und zum Gegenstand neuer kollektiver Formen eines bürgerschaftlichen Engagements werden können.
Durch das hervorgebrachte spezifische Wissen wird eine neue Forschungsdimension eröffnet, die durch disziplinäres Fachwissen üblicherweise nicht klar erkennbar wird. Die Einbeziehung von Lebensgeschichten in die Aus- und Weiterbildung ist also geprägt von der Umsetzung einer anthropologischen Forschung, die essentiell, qualitativ, multidisziplinär und partnerschaftlich orientiert ist, und die die im Zentrum der Forschung stehenden Subjekte in die Prozesse von Wissensentwicklung und Erkenntnis einbezieht. Die ASIHVIF bemüht sich auch darum, Praktizierende und Forschende in ihre Aktivitäten einzubeziehen. In unseren Augen ist es tatsächlich unerlässlich, dass die Forschung im Feld der Lebensgeschichten sowohl die theoretischen, wie auch die erlebten und existentiellen Erkenntnisprozesse integrieren und artikulieren kann.
♦ Auf dem Weg zu einer Biographieforschung in den Erziehungswissenschaften
In Anlehnung an die aktuellen Forschungstrends angelsächsischer Länder (Biography Research, Biographieforschung), unterstützt die ASIHVIF mit ihren Arbeitsansätzen und Aktivitäten die Erforschung menschlicher Konstruktionsprozesse im sozialen Raum: die Art und Weise, wie Individuen ihre Erfahrungen gestalten, wie sie die Situationen und Ereignisse des eigenen Lebens bewusst wahrnehmen und deuten sowie deren Auswirkung und Einfluss auf die jeweils soziale, kulturelle, politische und historische Umgebung. Grundlegend für die Biographieforschung im Bildungsbereich ist sowohl die zentrale Bedeutung der Ausbildung in diesem Biographisierungsprozess wie auch die enge Beziehung zwischen Ausbildung, Lernen und Biographie. In den verschiedenen Bereichen der Erziehungswissenschaften (Bildungsgeschichte, Bildungssoziologie, Erziehungsanthropologie, Bildungspsychologie, dialektische und dynamische Praxis von Lehr- und Lernverhalten) zielt die Biographieforschung weniger darauf ab, objektiviertes Wissen hervorzubringen, als vielmehr darauf zu verstehen, wie Akteure ihre Erfahrungen in Lernprozessen deuten und wie dabei die Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen auf die einzelnen biographischen Konstruktionen und Sozialisationsprozesse einwirken.
Übertragung aus dem Französischen
Daniel Feldhendler und Shirin Sotoudeh